Stomachion

 

 

 

Stomachion

Am 29. Oktober 1998 wurde bei Cristie‘s in New York ein schmutziges, verschimmeltes, in großen Teilen unlesbares und hinsichtlich seiner Eigentumsrechte umstrittenes altes Buch versteigert. Es gab nur zwei interessierte Bieter: ein Vertreter der griechischen Regierung und eine anonyme Privatperson. Die griechische Regierung hatte keine Chance. Das Buch ging für insgesamt 2,2 Millionen Dollar an die Privatperson.

Es handelte sich um ein Palimpsest, ein Buch aus Papyrus, dessen Seiten durch Schaben und Waschen im 13. Jahrhundert vom ursprünglichen Text gereinigt und danach mit einem christlichen Text neu beschrieben wurden. Der gelöschte Text stammte von Archimedes von Syrakus (um 287 - 212 v. Chr.), dem bedeutendsten Wissenschaftler der Antike und einem der größten Mathematiker überhaupt. Zum Glück stellte der/die Privatsammler*in das Buch dem Walters Kunstmuseum in Baltimore zur Verfügung mit dem Wunsch, die rätselhafte Schrift hinter der Schrift und somit die Botschaft des Archimedes zu entziffern. Es dauerte zehn Jahre bis zum Jahr 2008, bis Archimedes’ Text unter Verwendung von Methoden der digitalen Bildverarbeitung mit Ultraviolett-, Infrarot-, sichtbarem und Streiflicht sowie Röntgenstrahlen wieder lesbar gemacht werden konnte. Der Palimpsest ist die einzige bekannte Kopie der Archimedes-Texte „Stomachion“ und der „Methodenlehre„ und enthält die einzige bekannte griechische Kopie von „Über schwimmende Körper“. Es ist das älteste existierende Manuskript mit Texten von Archimedes und wird Kodex C genannt.

Archimedes beschreibt in seinem Werk „Stomachion“ (von lat. stomachari sich ärgern, stomachus Magen) ein Quadrat, das aus 14 unterschiedlichen Figuren zusammengesetzt werden kann. Lange hielt man es lediglich für ein Lege- und Geduldsspiel (das es vielleicht auch war), aus dem unterschiedliche Figuren ähnlich dem chinesischen Tangram gelegt werden können und ging spontan davon aus, dass es nur eine Möglichkeit gibt, aus den 14 Elementen ein Quadrat zu formen. Dann aber berechneten vier Mathematiker mit Hilfe eines Computerprogramms die Gesamtzahl von sage und schreibe 17.152 Möglichkeiten. Wenn man die Spiegelungen und Drehungen nicht mitzählt, sind es immer noch 536 Möglichkeiten aus den Teilen ein Quadrat zu bilden:
(siehe Leinwanddruck links 100 x 100 cm )

Farbsand auf Kappa-Leichtstoffplatte (70 x 70 cm). Darstellung von 36 verschie-denen Möglichkeiten das Archimedes-Puzzle zu einem Quadrat zusammen-zusetzen.

Mit der Entschlüsselung des Kodex kamen die Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass sich Archimedes schon damals mit Kombinatorik beschäftigt haben muss, eine mathematische Disziplin, die erst im 20. Jahrhundert und mit der Entstehung der Informatik größere Bedeutung erlangte.